MEISENHEIM. Die Wellen schlagen hoch – drei Monate vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz. Die Rede ist von „Schließeritis“ und einem „Kahlschlag in der ärztlichen Versorgung“ an der Nahe. Ein Politiker nach dem anderen schaltet sich ein. Doch was genau ändert sich nach aktuellen Plänen für die Versorgung von Patienten, die am Wochenende oder außerhalb der Dienstzeiten der niedergelassenen Hausärzte medizinische Hilfe brauchen? Nahe-dran.de hat bei der Kassenärztlichen Vereinigung nachgefragt, fasst die wesentlichen Änderungen zusammen und erklärt die Hintergründe.
Von Simone Mager.
Wird die ärztliche Bereitschaftspraxis in Meisenheim geschlossen?
Nein. Nur die Dienstzeiten des Bereitschaftsarztes und des medizinischen Personals sollen dem Bedarf angepasst und reduziert werden.
Was genau ändert sich in der ärztlichen Bereitschaft in Meisenheim und ab wann treten die Änderungen in Kraft?
Ab 1. Februar 2021 sollen Patienten, die am Wochenende oder außerhalb der Dienstzeiten der niedergelassenen Hausärzte medizinische Hilfe brauchen, grundsätzlich zuerst die zentrale Patienten Service Nummer 116117 wählen. Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz ist diese Nummer nach gesetzlicher Vorgabe bereits seit Januar 2020 für 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr besetzt.
Wer diese Nummer wählt, kommt in Kontakt mit medizinisch geschultem Personal, das unter anderem eine in der Schweiz erprobte Software zur Einschätzung der Versorgungsdringlichkeit im Zusammenhang mit den geschilderten Symptomen nutzt. Zudem befindet sich ein Arzt im Hintergrund, der im Zweifelsfall hinzugezogen werden kann.
Wichtig: In einem medizinischen Notfall sollen Patienten immer die 112 wählen.
Warum sollen Patienten aus der Region Meisenheim in Zukunft im Krankheitsfall am Wochenende die 116 117 wählen?
Über die 116 117 sollen Patienten gezielt gesteuert und der richtigen Versorgungsebene zugeführt werden. Diese Neuorganisation dient auch dazu, Bagatellfälle aus den medizinischen Versorgungseinrichtungen herauszuhalten und Wartezeiten zu vermeiden. Patienten könnten nach Angabe der Kassenärztlichen Vereinigung so passgenauer der für ihren Fall richtigen medizinischen Einrichtung zugewiesen werden. Für immobile Patienten ist der aufsuchende ärztliche Bereitschaftsdienst zuständig, der Hausbesuche vornehmen kann. Auch sein Einsatzbereich wird über 116 117 koordiniert.
Die ärztliche Bereitschaftsarzt-Praxis in Meisenheim soll vor diesem Hintergrund stärker bedarfsorientiert besetzt werden. In der Summe wird sie am Samstag und Sonntag jeweils 14 Stunden lang und am Mittwoch neun Stunden lang mit einem Dienst-habenden Arzt ausgestattet sein.
Welche Argumente nennt die KV Rheinland-Pfalz für die Änderung der ärztlichen Bereitschaft?
Die KV verweist – bedingt durch den demographischen Wandel – auf die steigende Anzahl immobiler Patienten mit vielen unterschiedlichen Erkrankungen, auf knapper werdende ärztliche Ressourcen und die geringe Auslastung der Bereitschaftspraxen in der Nacht. So war nach KV-Angaben im vierten Quartal 2019 im Schnitt zwischen 0-7 Uhr nicht einmal ein Patient pro Nacht in der Bereitschaftspraxis. Die Erfahrung habe gezeigt, dass es vor allem in der Nacht selten zum Besuch der Bereitschaftspraxis komme. Die Statistik verdeutliche, ein Bürger nehme im Durchschnitt in seinem Leben maximal zehn Mal den Bereitschaftsdienst in Anspruch. Dennoch müsse das medizinische Personal vorgehalten werden.
Vor allem an den Samstagvormittagen komme es in den Bereitschaftsarztpraxen zu längeren Wartezeiten. Über die 116 117 könnte Patienten geraten werden, erst später eine Bereitschaftspraxis aufzusuchen, um Wartezeiten zu vermeiden oder in eine weniger frequentierte Einrichtung zu fahren. So ließe sich der Komfort für die Patienten erhöhen. Patienten, die nicht in die Bereitschaftsarztpraxis kommen können, sollen über Hausbesuche versorgt werden.
Zugleich gehe es darum, den Beruf des niedergelassenen Hausarztes attraktiver zu machen. Derzeit seien in Rheinland-Pfalz 260 Hausarztstellen unbesetzt. In Meisenheim zeichnet sich in absehbarer Zeit eine Lücke bei den Hausärzten ab. Bei angehenden Medizinern spiele die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine große Rolle bei der Niederlassungsentscheidung. Das vertrage sich nicht gut mit den regelmäßigen langen Bereitschaftsdienstzeiten.
Wie sieht die Bereitschaftsdienstzeit im Landkreis Bad Kreuznach im Vergleich zu anderen Landkreisen aus?
Die Kassenärztliche Vereinigung spricht von einer nach wie vor in Rheinland-Pfalz sehr hohen Versorgung mit Bereitschaftsärzten und verweist auf Bayern: Der Landkreis Ansbach zum Beispiel habe eine Fläche von 2000 Quadratkilometern und eine Einwohnerzahl von 220.000. Dort gebe es zwei ärztliche Bereitschaftsarztpraxen mit insgesamt 90 Stunden Öffnungszeit in der Woche.
Im Landkreis Bad Kreuznach mit 160.000 Einwohnern und einer Fläche von 860 Quadratkilometern seien derzeit die ärztlichen Bereitschaftsarztpraxen 232 Stunden geöffnet. Nach den Änderungen ab Februar 2021 sollen es nach KV Angaben noch 153 Stunden im Landkreis Bad Kreuznach sein.
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