Freundeskreis-Vorsitzender Rolf Kehl und Vorstandskollege Markus Milferstedt stoßen am Napoleonsplatz an: Alles im Griff. Foto: Armin Seibert
Museumsfest: Wer zu Hause blieb, hat was versäumt
Ehrenamtliche helfen mit Herzblut das Museumsfest zu stemmen – 3500 Besucher bringen die Kosten leider nicht rein
BAD SOBERNHEIM. Das Rheinland-Pfälzische Freilichtmuseum lebt, begeistert Jung und Alt! Das ist seit Jahrzehnten Anspruch und Realität beim Museumsfest als Höhepunkt – auch im Jubiläumsjahr. Mit etwas über 3500 Besuchern blieb die Resonanz zum 50. Museumsgeburtstag leider hinter den Erwartungen zurück. „Das steht und fällt mit dem Wetter,“ sagte die ehrenamtliche Mitarbeiterin Reinhild Häfner im Museumsladen, was wohl die meisten ihrer fast 100 ehrenamtlichen Mitstreiter bei bescheidendem Herbstwetter dachten. Dabei hatte man doch so getrommelt und geworben, sich ins Zeug gelegt.
Von Armin Seibert

Alle Jahre wieder gilt es für Mitarbeiter und ehrenamtliche Helfer vom Wiesenparkplatz vorm Eingang bis zum historischen Kartoffeldämpfer ganz oben im Hunsrückdorf, vom Spielplatz an der Kneipe bis zum Spießbratenzentrum am Napoleonsplatz, den riesigen Ablaufplan einzuhalten und mit Humor und Engagement auszufüllen. „Manchmal sind die Ehrenamtlichen auch ein Prellbock, wenn Besuchern was nicht passt,“ merkt Wiebke Schulte an. Sie ist im Museum verantwortlich für Rechnungswesen, den Museumsladen und Besucherservice. Was soll man sagen, wenn sich Besucher beschweren, dass die Globus-Kundenkarte im Nachtigallental nicht gilt. Da hilft nur tief Luft holen. Der Nebeneingang in der Nähe der Kegelbahn ist beim Museumsfest Haupteingang, denn die Gäste reisen mehrheitlich mit dem Auto an. Die langjährige Ehrenamtlerin Ursula Biegeler mit Rosi Melsbach auf der einen, die Eheleute Manuela Spät auf der anderen Seite sorgen dafür, dass es keine Schlangen gibt.
Lust, ein bisschen herumzuflachsen?



Und schon ist man mittendrin im Festgewusel, trifft alte Bekannte, lernt aus alten Traditionen viel Neues. „Ein Quadratmeter Lein“ nennt sich das Flachsprojekt, das vom Saatkorn zum fertigen Leinentextil mit all den arbeits- und zeitintensiven Arbeitsschritten vom Flachsbrechen, Kämmen, Spinnen, Weben und über die Verwendung des Leinsamen informiert. Catharine Berett-Michels und Tatjana Reis erinnern zusammen mit dem History-Team am Haus Ürzig unter dem Motto: „Lust, mit uns herzumflachsen?“ an den Wert, den einst die Aussteuer-Hochzeitskisten mit Leinen-Inhalt hatten. Ohne Flachs: In so einer Aussteuerkiste steckten hunderte Arbeitsstunden.
Himbeerbonbons und Nappo
Beim Gang durch die Jahrhunderte, entlang der sorgsam ausgesuchten Verkaufsstände, immer wieder unterbrochen von verführerischen Düften um die Mittagessenzeit, treffen wir am Kiosk aus dem Kaiserslauterner Stadtpark Birgit und Gerd Lenhart, die neben Getränken hier die süße Palette der 70er-Jahre-Naschwerke anbieten. Wer erinnert sich nicht gerne an die Himbeerbonbons aus dem Glas, an Hubba-Bubba, die Zahn-Plombenzieher Nappo, Haribo-Lakritz oder Ahoi-Brausestange. Der Name Lenhart ist mit dem Freilichtmuseum eng verbunden – Gerds Vater, Schmiedemeister Emil Lenhart, gehört zu den Gründervätern, schmiedete noch im hohen Alter mit Schulkindern Hufnägel. Der Metallfachmann und langjährige Innungsobermeister der Kreishandwerkerschaft und Metall-Landesinnungsmeister investierte viel Arbeit und Geld in den Aufbau des Museums. Birgit und Gert haben Spaß als Kiosk-„Betreiber“. Sogar der letzte Inhaber des Holzhäuschens ist aus Kaiserslautern angereist, hat die alten Bau- und Genehmigungspläne mitgebracht.
Aufbau schon am Donnerstag
Hier treffen wir Freundeskreis-Vorsitzenden Rolf Kehl und seinen Vorstandskollegen Markus Milferstedt, die mit über 70 Freundeskreis-Mitgliedern ein Gutteil des Festes zu stemmen helfen. Mit dem Aufbau ging’s schon am Donnerstag los – der Bauhof ist mit im Boot, leistungsstarke Elektrik wird verlegt. Schließlich sollen auch die Spülmaschinen überall funktionieren. Zum Eingangstor wurden für die Museumsfreunde unter anderem 70 (!) Biertischgarnituren geliefert und aufgeschlagen. Alle vorbereiteten Plätze waren leider nicht besetzt. Ja, das Wetter. Es hielt, aber vielen war’s zu trüb, zu kühl. 2019, vor Corona waren es rund 7000 Gäste gewesen. Der Rückgang geht durch alle Altersgruppen, weiß Wiebke Schule. Also Fehlanzeige bei der Frage: Wo sollen wir ansetzen? Seit Corona ist alles anders. Auch beim Museumsbesuch. Sollte man es also lassen, weil sich die Sache nicht trägt, die Kosten für Musik und Unterhaltung nicht reinkommen? Sicherlich nicht.
Landrätin schenkt fleißig ein


Auch 3500 Besucher machen was her. Vor den Häusern Enkirch und Zell-Merl kommt das Fest am frühen Nachmittag ganz gut in Gang, es ballt sich ein bisschen vor der historischen Schiffschaukel. Wem das Kleinkind- und Hundegewusel zu bunt ist, kann sich ja ins Enkirch-Obergeschoss in die Vinothek zurückziehen. Aber viele genießen das große Hallo. Im Wein- und Bierbrunnen hat Landrätin Bettina Dickes seit inzwischen 19 Jahren ihren festen Helferplatz, schenkt ein, hält Sprechstunde. Mit ihr im Ehrenamtsdienst ist VG-Beigeordneter Ron Budschat, der schon vor 40 Jahren als Kita-Kind mit seinem Vater beim Fest mithalf.
Schiffschaukel steht nicht still
Ähnlich lange engagiert sich der frühere Staatssekretär Udo Reichenbecher (81) beim Fest. Lange Jahre stand er im Bierbrunnen, nun verkauft er Karten für die Schiffschaukel. Das Geschäft brummt, einige der kleinsten Kunden schauen kaum über die Theke, wo er mit seiner Frau Eva die Tickets für einen Euro ausgibt. Das geht zügig. Unübersichtliches Gedränge der Schaukel-Kundschaft wie bisweilen bei Festen mit besserem Ausflugswetter gab’s diesmal nicht – leider. Dennoch klingelt’s in der Kasse. Die Schaukel spielt den Aufwand sicher wieder rein, denn der gefährlich anmutende Nervenkitzel reizt die Kleinen.
Toben, im Stroh tollen, basteln. Was reizt die Großen, die Senioren? Kaffee, Kuchen, Spießbraten, Waffeln, Kartoffeln, Souvenirs. Schon mal kleine Geschenke für Weihnachten ausgucken. Bei der Museumsschmiede waren Mini-Hufeisen mit eingeschlagenen Namen gefragt. Die Warteschlange vor der Tür beweist es. Kiloschwere Achate gingen eher weniger. Abwarten, wie sich das Museum 2026 entwickelt. Die Ehrenamtlichen sind mit Sicherheit dabei, lassen sich von Besucherrückgang nicht schocken, denn sie sind mit Herzblut bei der Sache, leben mit und fürs Freilichtmuseum. So darf man ihnen nur zurufen: Weiter so!
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