„2021 ist kein gutes Jahr für die Fledermäuse“
BAD SOBERNHEIM. Etwas unbeholfen krabbelt die kleine Fledermaus auf die mit einem schwarzen Handschuh geschützte Hand von Kerstin Krämer. „Oh, ich glaube, sie hat zugenommen“, freut sich die Fledermausbotschafterin vom NABU Bad Kreuznach, die in Bad Sobernheim derzeit eines der fliegenden Säugetiere in einem kleinen Terrarium in Obhut hat. Die Fledermaus hat eine kleine Schwellung am Ellenbogen und kann derzeit nicht fliegen. „Sie ist sozusagen in Kur bei mir“, scherzt Kerstin Krämer, die das Tier mithilfe einer Pinzette mit lebenden Mehlwürmern füttert.
Von Simone Mager.
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Neugierig schnuppernd erkundet das pelzige Flugtier seine nach Essen duftende Umgebung und reckt dabei immer wieder den Kopf in die Höhe. Fachmännisch prüft Kerstin Krämer mit einer Wage, ob die Fledermaus zugenommen hat und setzt sie dann zurück ins Terrarium. Etwa eine Woche schätzt die Fledermausexpertin, wird das Tier noch brauchen, um sich zu erholen und seine Flugfähigkeit wiederzuerlangen. Die wird dann in einem geschlossenen Raum getestet und schafft sie es, zu fliegen wird die Zwergfledermaus wieder freigelassen.
Kerstin Krämer ist in Sachen PR, Aufklärung und Beratung für die Tieren unterwegs. 2015 hat sie beim NABU eine Ausbildung zur Fledermausbotschafterin gemacht. Sie spricht von einer derzeit schwierigen Zeit für die Fledermäuse, was nicht nur an ihrem schlechten Ruf durch Corona liege. Die Tiere seien kein Träger des Corona-Virus, stellt die junge Frau heraus, die beim NABU auch Mitglied im Arbeitskreis Fledermäuse ist. In Bad Sobernheim kümmert sie sich um verletzte Tiere, päppelt sie wieder auf und schickt ihren Kot zur Analyse ein. Außerdem sichtet sie gemeinsam mit weiteren NABU Fachleuten Fledermausquartiere, in denen die Tiere ihre Wochenstuben platziert haben. Sie suchen Unterschlupf in Häusern und fühlen sich insbesondere in ungenutzten und geräumigen Dachböden wohl, in denen sie ihren Nachwuchs säugen. „Die Männchen sind übrigens eher Einzelgänger, vor allen Dingen im Frühjahr und Sommer, wenn die Weibchen mit der Aufzucht des Nachwuchs beschäftigt sind. Zwergfledermäuse sind Spaltenbewohner. Ihnen reicht eine kleine Öffnung von ein bis zwei Zentimetern. Sie passen zusammengefaltet in eine Streichholzschachtel“, beschreibt Kerstin Krämer. Um sich artgerecht um eine Fledermaus zu kümmern, braucht es Fachwissen – das fehle mitunter auch regionalen Tierärzten, weiß die NABU Botschafterin. Teil ihrer Ausbildung sind auch die Bio-Akustik und das Monitoring, bei dem sie mit speziellen Geräten die Geräusche der Flugtiere aufzeichnet und anhand der Rufe die Arten bestimmt. „Jede Fledermaus hat ein spezielles Rufbild in einem ihr eigenen Frequenzbereich. So können wir anhand der Geräusche Rückschlüsse auf die Art ziehen“, schildert Krämer. Schon seit ihrer Kindheit sei sie von Fledermäusen fasziniert, verrät sie. „Vielleicht ist es so ein bisschen dieses Außenseiter-Dasein, das Nachtaktive, das mich fasziniert“, vermutet die Tierliebhaberin. Vielleicht sei es aber auch die Historie. Im Mittelalter hätten die Menschen nicht verstanden, worum es sich bei den Fledermäusen handelt. Man habe sie mit Hexen und Teufeln gleichgesetzt. Außerdem habe die Veröffentlichung des Buches „Dracula“, kurz vor dessen Erscheinen die Vampirfledermaus entdeckt worden war, ihren Teil zur Diffamierung der Art beigetragen. „So gerne ich das Buch auch mag, es hat viele Klischees in Bezug auf die Fledermäuse gefördert“, stellt Kerstin Krämer heraus.
Schlechte Jagdbedingungen wirken sich auf Bestand aus
In der Region an der Nahe gibt es vor allem Zwergfledermäuse, Wasserfledermäuse und Abendsegler. „Je größer die Ohren der Fledermäuse, desto tiefer jagen sie“, beschreibt Kerstin Krämer. Auch Bechstein-Fledermäuse, Langohrfledermäuse und Mausohren sind in der Region vertreten. Die geheim gehaltenen Wochenstuben der Tiere sucht Kerstin Krämer vor allem zur Dokumentation auf. Maximal eine halbe Stunde hält sie sich in der Nähe der Jungtiere auf, um vorsichtig zu fotografieren und anhand der Bilder die Zahl der Tiere zu erfassen. Ist der Einflug okay? – auch eine wichtige Frage, die die NABU Experten beim Besuch der Wochenstunden klären. Denn es ist wichtig, dass die Säugetiere ungehindert ein- und ausfliegen können, um Insekten und Stechmücken zu jagen.
„2021 ist kein gutes Jahr für die Fledermäuse“, schätzt Kerstin Krämer ein. Das liege vor allem an der weitgehend kalten und regnerischen sowie stürmischen Witterung, die auch nachts anhält. Das seien ungünstige Jagdbedingungen und Jungtiere könnten in der Folge nicht versorgt werden. Auch das Insektensterben sei ein großes Problem für den Fledermausnachwuchs. Sie verweist auf die Internetseite des NABU, wo sich eine Pflanzenliste mit nachtblühenden Pflanzen und Kräutern findet, mit denen sich der Garten Fledermaus-freundlich gestalten lässt. Nachtkerze und Herzgeweih zum Beispiel sind bei Insekten sehr begehrte Pflanzen, die auf dem Balkon wachsen können – die Fledermäuse freuen sich über die Besucher der Pflanzen. Auch Fledermauskästen, für die sich auf den NABU Seiten Bauanleitungen finden, helfen, aktiven Fledermausschutz zu betreiben. Problematisch für die Tiere sind laut Kerstin Krämer Klebefallen in Obstbäumen. Darin können die Fledermäuse wie auch Vögel hängen bleiben und müssen im schlimmsten Fall qualvoll verenden. Verletzte Tiere sollten nach Rat der Expertin in einem Schuhkarton mit Luftlöchern, einem zerknüllten Tuch und einem Gefäß mit Wasser ausgestattet sein. „Es sind so tolle Tiere, sie werden unterschätzt.“ schwärmt die NABU Botschafterin.
Ende August findet die so genannte Batnight, die internationale Fledermausnacht, statt. Außerhalb von Corona gab es aus diesem Anlass, organisiert vom NABU viele Veranstaltungen rund um die Fledermäuse.
Im Mayener Grubenfeld hat der NABU einen alten Stollen aufgekauft, in dem die Tiere wohnen. In diesem Jahr wird man den Stollen virtuell im Rahmen der Batnight besuchen können.
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