Bad Sobernheimerin ist zum zweiten Mal genetischer Zwilling
BAD SOBERNHEIM. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, Lebensretter zu werden? Ist die Chance, einem anderen Menschen zu helfen berechenbar? Eines ist jedenfalls klar: Registrierte Stammzellspender haben statistisch gesehen eine höhere Wahrscheinlichkeit, zum Lebensretter zu werden. Und in ganz seltenen Fällen besteht diese Option sogar mehrfach: Eine Bad Sobernheimerin, die anonym bleiben muss, bereitet sich gerade auf ihre zweite Spende für einen lebensbedrohlich erkranken Menschen vor. Vor sieben Jahren hat sie nach einer Typisierung bei der Deutschen Knochenmarkspende Datei (DKMS) zum ersten Mal Knochenmark für einen erkrankten Jungen aus Russland gespendet.
Von Simone Mager.
Zweite Chance, zur Lebensretterin zu werden
Leider hat es das Kind nicht geschafft. Doch jetzt hat Claudia R. (Name von der Redaktion geändert) eine neue Chance, zum Lebensretter zu werden: Über eine internationale Organisation in Kooperation mit der DKMS wurde sie zum zweiten Mal für einen schwer kranken Menschen als Spenderin angefragt. Ohne zu zögern hat sie gleich wieder zugesagt, wenngleich sie auch froh war, dass ihr nicht erneut über einen operativen Eingriff unter Vollnarkose Knochenmark entnommen wird. Jetzt bereitet sie sich gerade auf ihre Stammzellenspende vor, die in Frankfurt im Blutspendezentrum stattfinden wird. Die zur Vorbereitung notwendige Medikamentengabe übernimmt sie selbst. Das bedeutet: Zweimal am Tag eine Spritze in Bauch oder Oberschenkel, um die Produktion von Stammzellen im Knochenmark anzuregen – insgesamt neun Mal. Die Spende in Frankfurt verläuft dann ähnlich wie eine Blutentnahme. Vielleicht erfährt sie bei diesem Termin etwas mehr über die Person, für die die Spende gedacht ist. Doch Spender und Empfänger dürfen sich bis zu zwei Jahre nach der Spende nicht persönlich kennenlernen und müssen anonym bleiben. Denn es kann vorkommen, dass der Empfänger eine weitere Spende benötigt. Die Anonymität von Spender und Empfänger schützt dann vor etwaigem Erpressungspotential.
Eine Zeit der Vorsicht und Achtsamkeit
Claudia R. wurden bereits im Juli 2020 zum ersten Mal kontaktiert und nach ihrer Bereitschaft für eine erneute Spende gefragt. Die Anfrage der DKMS gelangte über einige Umwege zur ihr, weil die Organisation zunächst auf einer alten Handynummer Kontakt aufgenommen hatte. Per Mail klappte die Kontaktaufnahme dann doch. Nachdem Claudia R. ihre Bereitschaft bekundet hatte, folgten weitere Blutuntersuchungen, bei denen nach Auskunft der DKMS die genetischen Merkmale genauer in den Blick genommen werden. Handelt es sich tatsächlich um einen genetischen Zwilling, der für eine Spende in Frage kommt? Für Claudia R. begann mit der zweiten Blutentnahme eine Zeit der Vorsicht und Achtsamkeit mit sich selbst. „Kann ich jetzt noch Reisen planen? Wie kann ich mich gut schützen?“, waren die Fragen, mit denen sie sich beschäftigte. Gezielt hat Claudia R. zudem Kontakt mit einer Freundin aufgenommen, deren Sohn vor elf Jahren Stammzellen von einem fremden Spender bekommen hat. Zudem waren Erfahrungsberichte im Internet nicht so einfach zu finden. „Die Perspektive der anderen Seite ist mir wichtig“, gesteht Claudia R. Sorgen um den Spender, das ist das was die „andere Seite“ der Stammzellspende umtreibt, berichtete ihr die Mutter des Empfängers. „Was ist, wenn er abspringt oder wenn ihm etwas passiert?“. In anderen Gesprächen konnte Claudia R. feststellen, dass es durchaus Vorbehalte gibt: Einige ihrer Gesprächspartner hätten vermutet, der Spender begebe sich gesundheitlich in große Gefahr. „Der Gesundheitszustand des Spenders ist jedoch jederzeit überwacht und die Eingriffe bei beiden Varianten vielfach erprobt und safe. Die Untersuchungen zuvor sind umfangreich und genau und bei kritischen Befunden würde die Person nicht als Spender freigegeben“, berichtet sie.
Claudia R. geht achtsam mich sich um. Auf Sport in der Gruppe verzichtet sie vorübergehend und sie beschränkt ihre Kontakte. Klar wünscht sie sich, dass diesmal alles gut geht. „Hoffnung schenken ist auch ein Geschenk“, ermutigt sie sich.
Infos zur Knochenmarkspende und Lebensretter-Wahrscheinlichkeit
- Die DKMS beziffert den Anteil an Stammzell- bzw. Knochenmarkspendern, die zweimal jeweils für einen anderen Patienten spenden, auf 0,5 Prozent aller Spender.
- Etwa einer von 30 Stammzellspendern wird zu einer erneuten Spende für denselben Patienten angefragt. Meist geht es dann beim zweiten Mal um eine Lymphozytenspende.
- Einen genetischen Zwilling für eine Spende zu finden, ist nach wie vor nicht einfach. Laut DKMS kommt nur etwa ein Prozent aller registrierten Spender überhaupt zum Zuge. Dennoch gelingt es, für neun von zehn Patienten einen geeigneten Spender zu finden.
- Derzeit seien 6,8 Mio. Spender bei der DKMS registriert. Es sei wichtig, dass dieser Pool größer wird, betont DKMS-Sprecherin Julia Ducardus.
- Zum Austausch von Spendern und Personen, die bereits eine Spende erhalten haben, sowie von Ärzten und Patienten startet die DKMS jetzt eine digitale Plattform, den „Club des Lebens“. Ziel ist es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie schön das Leben ist.
- Auch wenn wegen der Corona-Pandemie derzeit keine Typisierungsaktionen stattfinden können, ist es der DKMS wichtig darauf aufmerksam zu machen: Blutkrebs macht keine Coronapause. Eine Typisierung kann über einen einfachen Wangen-Abstrich erfolgen.
Weitere Informationen: https://dkms.club/
https://www.youtube.com/watch?v=IwMQqmnPf3Q
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