Welcher Bildungsweg ist der richtige?
BAD SOBERNHEIM. Für die Viertklässler an der Nahe steht die Schullaufbahn-Empfehlung an – doch Infoabende und Tage der offnen Tür fallen wegen der Corona-Pandemie aus. Kitry Gentner-Knöbel von der Grundschule Bad Sobernheim gibt im Gespräch mit nahe-dran.de Tipps für die Laufbahn-Entscheidung.
Die Entscheidung für die Schullaufbahn des Kindes ist eine wichtige Weichenstellung im Bildungswesen. Kein Wunder, dass sich viele Eltern diese Entscheidung nicht leicht machen. Mit Rücksicht auf die Corona-Pandemie mussten an den Schulen in den Verbandsgemeinden Kirner Land und Nahe-Glan die Elternabende zur Schullaufbahn-Beratung und zu den weiterführenden Schulen abgesagt werden. An der Grundschule in Bad Sobernheim hatte die kommissarische Schulleiterin Frau Gentner-Knöbel auch Vertreter*innen weiterführender Schulen eingeladen, um den Eltern die unterschiedlichen pädagogischen Schwerpunkte aus erster Hand zu vermitteln. Doch daraus wurde erst einmal nichts. Worauf kommt es bei der Entscheidung für die weiterführende Schule an? Welche Faktoren fließen in die Empfehlung der Schule ein und wie können Eltern im Sinne ihres Kindes eine gute Wahl treffen? Auf diese Fragen hat Frau Gentner-Knöbel im Gespräch mit nahe dran.de geantwortet.
Frau Gentner-Knöbel, wie hat die Grundschule Bad Sobernheim auf die Absage des Elternabends zur weiterführenden Schule reagiert?
Wir hatten uns bereits intensiv auf den Elternabend vorbereitet und haben nun Informationen zum rheinlandpfälzischen Bildungssystem sowie relevante Orientierungshilfen zur Wahl der geeigneten Schulform in einem Schreiben zusammengefasst und an die Eltern weitergeleitet. Als Grundschule haben wir den Auftrag, Eltern und Sorgeberechtigte bestmöglich bei der Entscheidung für eine geeignete weiterführende Schulform zu beraten. Diese Beratung wird im Rahmen der nun anstehenden Lehrer-Eltern-Schüler-Gespräche stattfinden. Die endgültige schriftliche Empfehlung erhalten die Schüler*innen mit Ausgabe der Halbjahreszeugnisse.
Die Schule spricht eine Empfehlung für eine weiterführende Schulform aus, doch diese ist für Eltern nicht bindend. Was raten Sie Eltern, wenn die eigene Zielsetzung für das Kind Ihrer Empfehlung widerspricht?
Wichtig ist, dass die Eltern verstehen, auf welcher Grundlage die Empfehlungen ausgesprochen werden und darauf vertrauen, dass die Klassenlehrer*innen ihre Schüler*innen im schulischen Kontext am besten kennen. Mithilfe mehrerer Beobachtungskriterien und des regelmäßigen Austauschs mit den Eltern, ist es möglich im Laufe der Grundschulzeit, ein Gesamtbild des Kindes zu erhalten.
Hierbei fließen sowohl das aktuelle Leistungsniveau und die konkreten Lernergebnisse als auch die individuelle Entwicklung der Schülerpersönlichkeit und das in der Schule gezeigte Sozial- und Arbeitsverhalten ein. Berücksichtigt werden außerdem die Erkenntnisse, die wir aus Gesprächen mit den Eltern bzw. den Sorgeberechtigten im Laufe der vier Jahre gewinnen. Es kommt immer wieder mal vor, dass die Schule eine andere Empfehlung für das Kind ausspricht, als die Eltern erwartet haben. Das ist verständlich, denn Eltern erleben ihr Kind zu Hause. Sie kennen es und schätzen die Fähigkeiten und Möglichkeiten des Kindes mitunter anders ein, als Lehrer*innen dies tun.
Eine häufig geäußerte Sorge von Eltern ist die, ihrem Kind den „Weg“ zu verbauen oder ihm Chancen vorzuenthalten – und so machen sie mitunter ihre Entscheidung abhängig von Gerüchten oder diffusen Einträgen in Internetforen oder aber auch von der Ansicht anderer Eltern.
Im Beratungsgespräch richten wir den Blick der Eltern auf die Durchlässigkeit unseres Schulsystems und auf das Angebot späterer Wechsel in andere Bildungsgänge.
Der Wechsel nach der 4. Klassenstufe an eine weiterführende Schule ist nicht in Stein gemeißelt und auch noch keine endgültige Entscheidung für den künftigen Berufs- oder Lebensweg.
Wie können Eltern die richtige Entscheidung für ihr Kind treffen?
Zunächst sollten Eltern sich darüber im Klaren sein, dass sie die Entscheidung für ihr Kind treffen – was nicht bedeutet, dass sie nicht mit ihrem Kind im Gespräch sind. Dennoch darf man nicht vergessen, dass Kinder in der Regel ganz andere Kriterien anlegen. Da geht es meist vordergründig um Freundschaften. Das kann durchaus eine Rolle spielen, sollte aber nicht der entscheidende Punkt sein. Es geht darum zu klären, welche weiterführende Schulform der Persönlichkeit des Kindes am besten gerecht werden kann. Das können die Kinder nicht einschätzen, denn sie wissen letztendlich nicht, was sie erwartet.
Die wichtigste Frage, die die Eltern bei der Entscheidung berücksichtigen müssen, lautet: An welcher Schule kann mein Kind erfolgreich lernen, wo kann es Freude am Lernen behalten und wo wird es glücklich? Die Eltern sollten dazu die Neigungen, Interessen und Fähigkeiten ihres Kindes einbeziehen. Weitere Orientierungshilfen für eine Entscheidung sind zudem die Art und Weise wie sich ein Kind organisiert, mit Misserfolgen umgeht, in Gruppen auftritt, Arbeitsaufträge selbstständig löst, Lernbereitschaft und ein dauerhaftes Interesse an Themen und Fragestellungen zeigt.
Ganz zentral ist es auch zu beobachten, ob ein Kind Hausaufgaben und das Üben für Lernkontrollen und Arbeiten eigenständig und weitgehend fehlerfrei erledigt oder beständig auf Hilfe angewiesen ist.
Welche Kriterien fließen seitens der Lehrer*innen noch in die Empfehlung ein?
Wir schauen uns über die vier Grundschuljahre die Entwicklung des Kindes genau an. Wie lernt es und wie bewältigt es den Schultag inhaltlich und auch organisatorisch. Wie ist seine Konzentrationsfähigkeit, arbeitet es selbstständig, zeigt es besondere Begabungen, inwieweit hat es diese entfalten können, wie ist seine Motivation und Arbeitshaltung und natürlich auch sein Leistungsstand? Wir haben als Pädagoginnen gelernt, Kinder in ihrer Persönlichkeits- und Lernentwicklung gezielt zu begleiten, zu beobachten, zu motivieren und zu moderieren. Eltern können dem pädagogischen Sachverstand, der einer Empfehlung zugrunde liegt, vertrauen. Auch wenn diese Empfehlung in RLP laut Gesetz nicht bindend ist und letztendlich die Eltern die endgültige Entscheidung treffen.
Was antworten Sie Eltern, die Sie um eine Einschätzung zu einer konkreten Schule bitten?
Wir haben in unserer Region gute weiterführende Schulen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Auch wenn alle ihren „Tag der offenen Tür“ corona-bedingt absagen mussten, gibt es ein umfassendes Informationsangebot im Internet. Wir haben ebenfalls Infoflyer und Hinweise auf Vorstellungsangebote der Schulen an die Eltern verteilt.
Zielgerichtet Informationen über die neue Schule sammeln, diese mit den eigenen Vorstellungen abgleichen und vor allem aber auch den beratenden Lehrer*innen ein Grundvertrauen entgegenbringen – damit kann die Schulentscheidung im Sinne der Kinder gut gelingen.
Die Fragen stellte Simone Mager.