Der Bäckernomade Tommy Weinz wird sesshaft und baut die ehemalige jüdische Metzgerei in der Obergasse gemeinsam mit Christian Held zur Back Manufaktur um. Foto: Simone Mager
Ehemalige Jüdische Metzgerei wird Brot-Manufaktur
MEISENHEIM. Für echtes, ehrliches Brot braucht es drei Zutaten, nein eigentlich sind es vier: Mehl, Wasser, Salz und ganz viel Zeit. „Reifezeit“, präzisiert Tommy Weinz. In Ausnahmefällen nimmt er vielleicht eine erbsengroßes Stück Hefe dazu. Doch das Geheimnis seiner Brote ist die Ruhe, mit der sie reifen können. Sechs bis 72 Stunden setzt Tommy Weinz auf Grundlage von selbstgezüchtetem Sauerteig an. So erzeugt er unterschiedliche Säuregrade, über die er den Geschmack steuert. Dieses traditionelle Brotbacken will der gelernte Bäcker und Marketingfachmann in seiner Meisenheimer Brotmanufaktur neu aufleben lassen.
Von Simone Mager.
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Es war ein wenig Überzeugungsarbeit notwenig, bis Professor Christian Held den Bäcker-Nomaden für den Standort Meisenheim begeistern konnte. Denn eigentlich wollte Weinz weiter mit dem Wohnmobil in ganz Europa unterwegs sein, um Brot-Rezepte zu sammeln und darüber zu schreiben. Dem gebürtigen Meisenheimer Held, der als Anwalt für Energierecht tätig ist und einen Lehrauftrag an der FH Bingen hat, gehört die alte jüdische Metzgerei in der Obergasse 14, die früher von der emigrierten Familie Cahn betrieben wurde. Die Familie Cahn versorgte die jüdische Bevölkerung Meisenheims mit koscherem Fleisch, bis sie vor den Nazis flüchten musste. Vor dem Eingang des Hauses, das bereits 1620 erbaut und im 18. Jahrhundert als Brauerei genutzt wurde, erinnern Stolpersteine an das Schicksal der jüdischen Familie. In diesem historischen Gemäuer, das sich an das evangelische Gemeindehaus anlehnt, soll jetzt die Brotmanufaktur einziehen. Dazu haben Christian Held und Tommy Weinz eine Gesellschaft (KG) gegründet und wollen, unterstützt von LEADER Fördermitteln, die ehemalige Metzgerei zur Brotmanufaktur und Back-Akademie umbauen.
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Meisenheimer Brot mit Zutaten aus der Region
Tommy Weinz plant, sein Wissen über die traditionelle Herstellung von Brot in einer Back-Schule zu vermitteln. Ausschließlich mit regional erzeugtem Weizen-, Dinkel- und Roggenmehl möchte er arbeiten. Der ehemalige Verkaufsraum der jüdischen Metzgerei, deren Wände Kacheln mit blauen Blumen zieren und alte Fleischerhaken am metallenen Ziergitter im Schaufenster hängen, soll in einen Verkaufsraum umgewandelt werden. Daran anschließen soll sich laut Planung eine Backstube mit Arbeitstisch. „Mehr braucht es nicht. Wir machen ja nur Brot, und das mit der Hand“, schildert Tommy Weinz. Allenfalls die alte Knetmaschine will er als Hilfsmittel einsetzen, das jedoch mehr aus Gründen der Nostalgie als der Effizienz. An die Teigstube soll sich die Backstube anschließen, in der in Zukunft ein pellet-betriebener Holz-Backofen zum Einsatz kommen soll. Im Flur mit der Eingangstür an der Südseite des Hauses sollen historische Fotos an die jüdische Familie und ihr Schicksal Bahn erinnern.
Europäische Backschule in Planung
Der Bauantrag ist bereits gestellt. Bis Ende Juli soll alles durch sein. Auch Meisenheim beteiligt sich im Rahmen der Städtebauförderung an der aufwändigen Altbausanierung, die laut Planung bis August 2022 abgeschlossen sein soll. Tommy Weinz nutzt die Zeit bis dahin, um eine Sichtungsprüfung bei der Bäckerinnung abzulegen und neue Rezepte zu kreieren. Außerdem backt er bereits jetzt an Samstagen im „Alten Kino“, der Event Küche im Meisenheimer Hof sein Brot nach traditionellen Rezepten in einem mobilen Backofen. Hier möchte Weinz Events mit befreundeten Bäckern aus ganz Europa durchführen, die er auf seinen Reisen besucht hat. „Europäische Backschule“, nennt der ehemalige Bäcker-Nomade diese Idee. Bereits jetzt bietet er Kurse in seiner Back-Akademie an, die er je nach Teilnehmerzahl in der Kochschule des Meisenheimer Hofes oder im Alten Kino über dem Restaurant durchführt. Am Samstag, den 10. Juli 2021, ist er gemeinsam mit dem Geschäftsführerdes Meisenheimer Hofs, Markus Pape, im SWR Radio zu hören. Beide backen und braten dann gemeinsam für die Zuhörer Burger. Markus Pape ist glücklich über die gute Fügung, die Tommy Weinz noch Meisenheim gebracht hat. „Backen war schon immer so eine Idee“, verrät Markus Pape. Ein Rezept von Tommy Weinz hatte er in einem Magazin über die Genussregion von Kai Brückner „aufgeschnappt“. Seinen Pâtissier ließ er das Brot nachbacken und war gleich davon überzeugt. Im Restaurant soll in Zukunft „das Brot vom Tommy und kein anderes mehr“ serviert werden, gibt Pape vor. So wollen sie sich gegenseitig die Bälle zuspielen, die Brot-Manufaktur und das Hotel-Restaurant.
www.meisenheimer-brotmanufaktur.de
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