Erinnerungen an die Hochwasser in Meisenheim
MEISENHEIM. „Jetzt im Dezember erinnere ich mich immer an die verschiedenen Hochwasser in Meisenheim. Es ist schon eine seltsame Fügung, dass es immer an besonderen Tagen war: am 6. Dezember 1966, am 24. Dezember 1968 und 31. Dezember 1981.“
Renate Gilcher, Stadt- und Kirchenführerin in Meisenheim, schildert wie sie die dramatischen Hochwasser im Dezember erlebt hat und teilt ihre Erinnerungen.
6. Dezember 1966 Nikolaustag
Tauwetter und große Regenmengen ließen den Glan vom 5. auf den 6. Dezember stark ansteigen. Es kam zu einem Rückstau im Kanal und als erstes stand – wie immer – der Rapportierplatz unter Wasser. Dieser liegt tiefer als der Glan. Für die Anwohner hieß das, das Erdgeschoss zu räumen und alles ein Stockwerk höher in Sicherheit zu bringen. Das Wasser stieg immer höher und schon nach kurzer Zeit stand es in den Läden der Untergasse in der Nähe des Untertores. Meinen Eltern gehörte damals das Thayn`sche Haus. Wir hatten dort eine Bäckerei und ein Café. Da das Thayn`sche Haus etwas höher lag – es waren drei Stufen bis in Laden und Café – war die Hoffnung groß, dass wir vom Wasser verschont bleiben würden. Also half ich den Nachbarn beim Tragen und Räumen. Zuerst rechts in dem Spielzeug- und Textilgeschäft Kasokat, wo alles eine schmale Treppe hinauf in die Wohnung getragen werden musste. Dann war der Laden Uhren Müller links von uns an der Reihe. Die ganze Auslage, Schmuck, Uhren und Verkaufstheken trugen wir ein Stockwerk höher. Jeder half mit. Da stand das Wasser schon mindestens 15 Zentimeter im Laden. Nach einiger Zeit kamen die Fluten auch zu uns. Zuerst durch den Eingang vom Hof aus. Dieser lag drei Stufen niedriger als der Haupteingang an der Untergasse. Das Wasser stieg bis zum Mittag an und reichte bis zum Marktplatz. Es hieß immer, wenn es aufhört zu regnen, steigt das Wasser noch sechs Stunden.
Mein Vater brachte unser Auto schon früh in Sicherheit. Wir trugen, mit Gummistiefeln an den Füßen in Körben die Brote durch das Wasser zum Auto, damit sie zu den Kunden auf die Dörfer gefahren werden konnten. Als das Wasser sich zurückgezogen hatte und alles wieder sauber und an Ort und Stelle war, fing der Paketboden im Café an, sich zu wölben. Beim Laufen kam man sich wie auf einer Berg- und Talbahn vor.
Das Beste an dem Tag war: Ich musste und konnte an diesem Tag nicht zur Schule!
24. Dezember 1968 Heilig Abend - bleibt Meisenheim verschont?
Wieder führte der Glan Hochwasser. Jeder stellte sich die bange Frage: Bleibt die Stadt verschont? Ich erinnere mich noch, dass wir nach der Bescherung auf die Untertorbrücke gingen, um „nach dem Wasser“ zu schauen. Viele Menschen waren dort versammelt und schauten besorgt zum Abflussrohr, das vom Liebfrauenberg aus in den Glan mündete. Denn man wusste, wenn der Glan die Öffnung des Rohres ganz bedeckte, wurde es brenzlig und das Wasser kam in die Stadt. Kurz bevor das Loch zu war, kam der Wasserpegel des Glan zum Stillstand. Wir hatten noch einmal Glück gehabt.
Ich kam aber an diesem Abend noch zu einem „vergessenen“ Weihnachtsgeschenk! Als wir auf der Brücke standen und meine Mutter den Uhrmacher Kickhöfel sah, rief sie: „Oh Renate, ich habe ja noch ein Geschenk für dich. Das habe ich ganz vergessen!“ Zu Hause hat sie zuerst mal in einigen Schränken gesucht, da sie nicht mehr wusste, wo sie es versteckt hatte. Es war ein rosa Wecker, den man noch jeden Abend aufziehen und stellen musste. Er machte einen fürchterlichen Krach, wenn es an der Zeit war aufzustehen. Den hatte ich mir auch schon vorher gewünscht und war dann doch etwas enttäuscht, dass ich „nur“ Bettwäsche und ein Nachthemd vom Christkind bekam.
Den Wecker habe ich heute noch, aber nur noch als Dekoration.
31.Dezember 1981 Silvester
Das Silvester Hochwasser von 1981 ist Vielen noch in Erinnerung. Es war das schlimmste Hochwasser nach 1915.
An Weihnachten und zwischen den Jahren fiel sehr viel Schnee, der dann mit viel Regen innerhalb kürzester Zeit abtaute. Der Glan stieg rasant an. Es gab schon früh Hochwasseralarm. Ich wohnte damals nicht mehr in der Untergasse. Wohl aber meine Mutter, die immer noch die Bäckerei und das Café führte. Ich rief sie an und fragte nach dem Stand der Lage. „Das Wasser ist schon fast bis bei Kasokats und alle räumen …“ So schnell ich konnte machte ich mich mit meinen beiden Kindern von zwei und drei Jahren auf den Weg. Wir kamen noch gerade trockenen Fußes ins Haus.
Die Untergasse war zu dem Zeitpunkt eine Baustelle. Die Gasse war aufgerissen, um einen neuen Kanal zu verlegen. Aus den Gullys schoss das Wasser wie eine Fontaine hervor. Das Wasser stieg so schnell und in kürzester Zeit war das untere Stockwerk – Laden, Café, Küche, Backstube -Tischkantenhoch unter Wasser.
Ich werde nie das Quieken der Ratten im Abfluss der Spüle in der Küche vergessen. Ich blieb mit den Kindern in der Silvesternacht in der Untergasse, ohne Strom, ohne Heizung. Viele Neugierige kamen in der Nacht und fuhren mit Booten durch die Untergasse. Ich hatte Angst, dass sie mit den Booten in die großen Schaufensterscheiben reinfahren würden.
Noch schlimmer betroffen waren das Neubaugebiet Auf der Lach, das BeKa Kaufhaus und Möbel Martin in der Raumbacher Straße.
Nach diesem verheerenden Hochwasser wurde sehr viel Geld in den Hochwasserschutz investiert und die Altstadt blieb, Gott sei Dank, seit dieser Zeit von Hochwasser verschont.