Petra Nieding. Foto: Timo Volz.
Die Haltungsform lässt sich herausschmecken
BAD SOBERNHEIM / INGELHEIM. Gerade wurde sie von der BILD zur „Großwürstin Petra I.“ gekürt: Metzgermeisterin und Fleischsommelière Petra Nieding, in der Region bekannt als Inhaberin der Feinkostmetzgerei „Die Wildkammer“, räumt mit ihren Fleisch- und Wurstprodukten seit Jahren einen Preis nach dem anderen ab. Außerdem hat sie sich jüngst zur Wurst- und Schinkensommelière weitergebildet. Nahe-dran.de hat mit ihr über ihre Erfolge und die Herausforderungen im Metzgerhandwerk gesprochen. Außerdem haben wir gefragt, worauf es bei der Sensorik für Fleisch und Wurst ankommt.
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Frau Nieding, Glückwunsch! Ihre Wild Canadian Cheese Smokeys Bratwurst hat die BILD Jury überzeugt. Was bedeutet diese Auszeichnung für Ihre Betriebe in Bad Sobernheim und Ingelheim?
Zunächst einmal einen sehr erfreulichen Ansturm aus dem ganzen Bundesgebiet und damit viel Arbeit für das gesamte Team. Denn die ganzen Bestellungen, die uns in den letzten Tagen erreicht haben, wollen bedient werden. Gefühlt will ganz Deutschland die „BILD Bratwurst des Jahres 2021“ und das muss erst einmal frisch produziert und dann natürlich auch so verschickt werden, dass alle Kundinnen und Kunden die Bestellungen zügig erhalten. Gleichzeitig fühlen wir uns bestätigt in dem was wir tun, nämlich Produkte in bester Handwerksqualität aus artgerechter und Bio Tierhaltung herzustellen.
Sie haben mittlerweile viele Preise mit Ihren Produkten abgeräumt. Können Sie diese überhaupt noch zählen?
(Lacht): Noch behalten wir den Überblick – von 2012 bis heute über 150 Goldmedaillen, 13 Siegerpokale, zweimaliger Gesamtsieger der Deutschen Wildwurstmeisterschaft, beide Betriebe zählen laut „Der FeinSchmecker“ zu den besten 500 Metzgereien Deutschlands und jetzt auch noch die „BILD Bratwurst des Jahres“. Wichtig ist mir aber, dass wir das bei allem berechtigten Stolz alles nicht zur Befriedigung unserer Eitelkeit tun, sondern die Teilnahme an hochkarätigen Wettbewerben – zum Teil mit Laboruntersuchung der Produkte – ein wesentlicher Gratmesser für unsere Qualitätsbestrebungen darstellt. So wissen wir immer, wo wir im Vergleich zu anderen Metzgereien stehen.
Ihr Anliegen ist es, Menschen für hochwertige Fleischprodukte zu sensibilisieren. Stellen Sie ein Umdenken der Verbraucher fest?
Eindeutig ja, vor allem in unserem Hauptbetrieb, der Feinkost Metzgerei Stephan in Ober-Ingelheim. Dort hat mein geschätzter Vorgänger Gebhard Stephan bereits 2008 ausschließlich auf die Verarbeitung von artgerecht gehaltenen Schwäbisch-Hällischen (Frei-)Landschweinen und Hohenloher BIO Weiderinder aus ökologischer Erzeugung gesetzt und dies auch durch eine exklusive vertragliche Bindung als Gourmetmetzgerei der Bäuerlichen Erzeugergemeinschaft Schwäbisch-Hall manifestiert. Das wird in Ingelheim und Umgebung sehr gut honoriert und die Kunden fahren zum Teil weite Wege, um die Qualität der Produkte aus artgerechter Tierhaltung zu erhalten. Hinzugekommen sind mit der Übernahme des Betriebes in 2019 jetzt unsere hochwertigen Wildprodukte aus freilebenden Tieren aus unserer eigenen Jagd und bis zu 40 Zuliefererrevieren aus den umliegenden Hegeringen. Unser Motto ist „nicht jeden Tag Fleisch essen, aber wenn, dann nur gute Qualität aus artgerechter Tierhaltung!“ Wenn die Verbraucher das beherzigen, dann kann sich diese Qualität und diese Haltungsform jeder leisten. Natürlich kosten diese Art der Tierhaltung und die Qualität – Verwendung von Naturgewürzen mit Demeter-Zertifizierung, etc. – mehr Geld als beim Discounter, aber all das ist jeden Cent wert.
Neben Ihrer Tätigkeit als Metzgermeisterin haben Sie sich zur Wurst- und Schinkensommelière weitergebildet – warum?
Nach meiner Ausbildung zur Fleischsommelière im Jahr 2017 wurde die zusätzliche Qualifikation der Wurst- und Schinkensommeliers eingeführt. Deutschland ist das Land der Wurst- und Schinkenmacher, es gibt also neben dem Wissen des Fleischsommeliers noch unglaublich viel über die Wurst- und Schinkenherstellung zu erfahren, die sich zudem von Region zu Region in Deutschland und Europa unterscheidet. Da ich grundsätzlich alles gut machen will, was ich tue, lag die Weiterbildung zur Wurst- und Schinkensommelière nah. Es fasziniert mich total, die unterschiedlichen Wurst- und Schinkenarten und deren Herstellungsarten zu kennen, aber natürlich auch zu schmecken und zu erleben. Letztlich geht es bei allen unseren Weiterbildungen darum, dass der Kunde an der Ladentheke einen spürbaren Mehrwert hat. Unsere Beratungsqualität und die Qualität der Produkte steigert sich dadurch nochmals, und das kommt letztlich unserer geschätzten Kundschaft zugute. Schließlich unterscheiden wir uns auch dadurch von anderen Anbietern am Markt, allen voran von Supermärkten und Discountern.
Wie wird man Wurst- und Schinkensommelière und welche Fähigkeiten eignet man sich dabei an? Kann man zum Beispiel so etwas wie die Haltungsform der Tiere herausschmecken?
Die Haltungsform der Tiere war ein wesentlicher Bestandteil meiner Ausbildung zur Fleischsommelière. Im Rahmen der Ausbildung zum Wurst- und Schinkensommelier geht es vor allem um die Bestandteile der einzelnen Wurst- und Schinkenspezialitäten, dem verwendeten Fleisch, natürlich auch der Haltungsform, es geht um die enthaltenen Gewürze bis hin zu verschiedenen Räuchermethoden oder Arten der Herstellung wie schlachtwarmer Fleischverarbeitung, die sensorische Bewertung, Analytik und Mikrobiologie, Ernährungskunde, Foodpairing und Foodcompleting und einiges mehr.
Wie wenden Sie Ihr Sommelier-Wissen im Alltag der Metzgerei an?
Einerseits bei der Herstellung von Wurst und Schinken, durch Einführung neuer Wurst- und Schinkensorten, aber auch bei der Kundenberatung an unseren Ladentheken in beiden Betrieben. Gemeinsam mit mir wurde unsere Mitarbeiterin, die den Ladenbetrieb der Wildkammer in Bad Sobernheim führt, ebenfalls entsprechend ausgebildet und geschult. Außerdem gebe ich mein neu erworbenes Wissen natürlich an mein ganzes Team weiter.
Nach welchen Kriterien verkosten Sie Wurst und welche Begriffe sind dabei relevant?
Da ist vor allem natürlich der allgemeine Geschmack entscheidend, ähnlich wie beim Wein. Auch die Balance der verwendeten Gewürze ist wichtig, da darf nichts vorschmecken oder andere Gewürze bzw. den eigentlichen Fleischgeschmack in der Wurst überlagern. Klassisches Beispiel ist zu viel Salz, Pfeffer oder Schärfe oder zu starke Räucherung.
Vor welchen Herausforderungen sehen Sie das Metzger-Handwerk aktuell?
Die aktuelle Tierwohldebatte ist ausgesprochen unterstützend für Betriebe wie unsere Feinkost Metzgerei Stephan in Ober-Ingelheim und Die Wildkammer in Bad Sobernheim, bei denen die ausschließliche Verarbeitung von Fleisch aus artgerechter Bio Tierhaltung, Weidehaltung und Freilandhaltung schon immer wichtigster Bestandteil der Unternehmensphilosophie und des Markenkerns war und ist. Wichtig ist nun, dass der Gesetzgeber bei allen Eingriffen zur Förderung des Tierwohls die Ausnahmestellung solcher Betriebe wie unserer im Auge behält. Es kann nicht sein, dass unsere Betriebe durch eine zusätzliche Tierwohlabgabe mit Supermärkten und Discountern über einen Kamm geschoren werden und so unsere Produkte künstlich verteuert und unser langjähriger Einsatz für Tierwohl dadurch noch bestraft wird.
Eine weitere Herausforderung ist die Gewinnung von ausreichend Nachwuchs bei unseren Arbeitskräften. Leider ist trotz aller Imageverbesserungen des Metzgerhandwerks immer noch kein „Run“ auf die freien Arbeitsplätze in unseren Betrieben festzustellen, obwohl es sich um einen der kreativsten und vielseitigsten Berufe überhaupt handelt. Wir sind deshalb dazu übergegangen, gezielt Quereinsteiger aus anderen Branchen, etwa der besonders von der SARS CoV 2 Virus Pandemie gebeutelten Gastronomie, einzustellen und auszubilden. Dass wir übertarifliche und faire Gehälter zahlen, bei entsprechendem Einsatz zusätzliche Boni gewähren, regelmäßige interne und externe Weiterbildungen anbieten, kostenlose Jagdmöglichkeiten im eigenen Jagdrevier, Mitarbeiterrabatt bei Einkäufen in unserem Betrieb und unseren Partnerbetrieben „Die Wildkammer“ und „Die Getränkekammer“ in Bad Sobernheim, betriebliches Gesundheitsmanagement, bei Bewährung betriebliche Altersversorgung bieten, sei da nur am Rande erwähnt.
Zum Schluss noch: Welche ist Ihre Lieblingswurst?
Meine absolute Lieblingswurst ist eine leicht geräucherte Zungenblutwurst aus unserer eigenen Herstellung. Das deckt sich einerseits mit unserer „Nose-to-tail“-Philosophie, also grundsätzlich das ganze Tier zu verwerten und anzubieten. Andererseits esse ich die Wurst vom Geschmack her einfach sehr gerne und sie hat nicht ohne Grund auch bei der anspruchsvollen internationalen Blutwurstmeisterschaft der Confrérie des Chevaliers du Goûte Boutin in Frankreich einen Preis erhalten.
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