MEISENHEIM. Die Meisenheimer Stadt- und Kirchenführerin Renate Gilcher beschreibt den Winter 1963, in dem sie auch schon einmal Home Schooling erlebt hat – allerdings aus ganz anderen Gründen als die Schülerinnen und Schüler in der momentanen Situation.
Renate Gilcher erzählt: „Als ich dieser Tage mit meinen Enkeln „Home Schooling“ machte, fiel mir ein, dass ich das im Jahre 1963 auch mal 14 Tage lang hatte.
Wie das?
1963 war ich im dritten Schuljahr. Es war ein extrem kalter Winter. Der Glan war wochenlang zugefroren. Aber nicht nur der Glan, auch der Rhein war mit einer dicken Eisschicht bedeckt. Die Schifffahrt war eingestellt und deshalb konnten keine Tankschiffe von Rotterdam rheinaufwärts fahren. Das war schlecht für alle, deren Öltanks fast leer waren.
Für uns Schüler der Volksschule in Meisenheim war das ein echter ein Glücksfall!! Die Öltanks der Schule waren leer. Die Schule konnte nicht geheizt werden! Der Unterricht fiel aus! Eine sehr willkommene Abwechslung für uns Schüler. Es gab extra Winterferien!
Jeden zweiten Tag mussten wir für rund 20-30 Minuten in die Schule. Dort saßen wir dick vermummt mit Mütze, Schal usw. in unserem Klassenraum und bekamen für die nächsten zwei Tage Hausaufgaben auf.
Kaum zuhause flogen die Schulsachen in die Ecke und ab ging es auf den Glan. Dieser war vom Wehr bis zu den Odenbacher Wellen zugefroren. Natürlich war das unser winterliches Outfit nicht mit dem heutigen vergleichbar. Selbstgestrickte Mütze, Schal, Pullover … Die Wolle kaufte man bei den „Simons Meed“. Lange Unterhosen, darüber schwarze Trainingshosen oder sogenannt „Skihosen“. Das waren nach unten eng zulaufende Lastexhosen mit einem Gummisteg am Fußende.
Meine Schuhe waren rustikale Knobelbecher (von Schuh Roos am Marktplatz). Die waren nicht modern, aber hatten eine dicke Sohle an die man die Hudora Schlittschuhe (von Trabach) gut anschrauben konnte.
Wir Kinder waren den ganzen Tag auf dem Glan, liefen auf den Schlittschuhen um die Wette, zogen Kreise vorwärts und rückwärts und ich träumte davon, irgendwann mal so Schlittschuh laufen zu können wie Marika Kilius.
Staunend bewunderten wir immer ein älteres Mädchen. In ihrem Trikot, mit kurzem Röckchen und weißen Schlittschuhstiefeln, sah sie aus wie eine Eisprinzessin … ein Traum! Sie lief Figuren probierte kleine Sprünge und ihr Vater passte auf, dass sie das ordentlich machte und dass ihr niemand in die Quere kam.
In den nachfolgenden Jahren fror der Glan noch ein paar Mal zu. Aber es war für mich nie mehr so schön wie damals im Winter 1963.“