Der Meisenheimer Prof. Christian Held, Investor Matthias Bahr und Architekt Florian Hertweck (v.l.) schlagen ein neues Kapitel in der Geschichte des Fürstenwärther Hofs auf.
„Neues virtuos ins Alte einfügen"
MEISENHEIM. Der Fürstenwärther Hof versprüht den Charme vergangener Zeiten. Bruchsteinmauerwerk und Fachwerk, im Inneren bunte Butzenfenster und knarrende Dielenböden, filigrane Kachelöfen und verzierte Holzdecken. Ihr Zusammenspiel versinnbildlicht die Geschichte einer wechselvollen Vergangenheit. Das einst spätgotische Gebäude erhielt durch einen Umbau im Jahr 1855 durch den Architekten Krausch eine klassizistische Fassade. Im Verlauf seiner Geschichte war es zu Wohnzwecken, landwirtschaftlich und als Lehnshof genutzt. Jetzt schlägt Investor Matthias Bahr aus Berlin gemeinsam mit dem Meisenheimer Prof. Christian Held und dem Architekten Prof. Dr. Florian Hertweck ein neues Kapitel in der Geschichte des Gebäudes auf.
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In den kommenden Monaten soll der Hof generalsaniert und mit einem modernen Anbau versehen werden, mit dem Ziel, ihn zukünftig als Erweiterung des Meisenheimer Hofes zu nutzen. Ein erstes Gespräch mit dem Denkmalschutz hat bereits stattgefunden. Florian Hertweck, der an der Universität Luxemburg lehrt und u.a. gemeinsam mit Andrea Rumpf den Pavillon Luxemburgs bei der 16. Architekturbiennale in Venedig kuratiert hat, freut sich auf das Projekt. Nahe-dran.de hat mit ihm über seine Ideen für das Gebäude und über die Chancen gesprochen, die mit einer intelligenten Stadtsanierung für strukturschwache Regionen verbunden sein können.
Herr Prof. Hertweck, was ist das Besondere am Fürstenwärther Hof für Sie?
Wie jedes historische Bauwerk ist auch der Fürstenwärther Hof geprägt von vielen Überformungen: Der spätgotische Ursprungsbau wurde mit einer klassizistischen Fassade versehen, es wurden im Verlauf der Zeit weitere Gebäudeteile hinzugefügt und viele Innenräume umgestaltet, wie die repräsentativen historistischen Salons im Erdgeschoss, aber auch wie andere Innenräume, die mit Fliesen, abgehängten Decken und Laminatböden versehen wurden. Jetzt geht es darum, die bedeutenden historischen Schichten zu erhalten und sichtbar zu machen und gleichzeitig das Gebäude auf seine neuen Nutzungen vorzubereiten: als Hotel mit Gastronomie.
Können Sie schon etwas über die Gespräche mit dem Denkmalschutz verraten, die vor kurzem zum ersten Mal stattgefunden haben?
Bei einem ersten Zusammentreffen mit der Denkmalpflege geht es erst einmal darum, Vertrauen aufzubauen: seitens der Denkmalpflege zum Bauherren und dem Planer, dass wir – ausgehend von einer Empathie für das Bauwerk – behutsam mit dem Bestand umgehen und gleichzeitig in der Lage sind, Neues virtuos in das Alte einzufügen. Und wir erhoffen uns umgekehrt von der Denkmalpflege, dass sie aufbauend auf dieses Vertrauen auch die Möglichkeiten einer neuen Nutzung für das Gebäude und die Stadt erkennt, diese unterstützt und mit uns im Verlauf der Konzeption und Realisierung einen konstruktiven Dialog pflegt.
Welche Ideen haben Sie für den Umbau des Gebäudes?
Mir ist zunächst einmal wichtig, dass die Erdgeschossnutzungen einen urbanen Charakter haben, sich also zur Stadt öffnen und mit ihr interagieren. Diese Rolle wird zum einen die Gastronomie spielen, die in der Scheune untergebracht werden soll, wodurch bei schönem Wetter die Gäste auch im Hof sitzen werden, der unmittelbar an die Obergasse anknüpft. Zum anderen werden die historistischen Salons auch als solche vom Hotel genutzt und mit einer halböffentlichen Nutzung im Anbau auf dem heute brachliegenden Nachbarsgrundstück verbunden werden. In den oberen Geschossen werden dann hauptsächlich Hotelzimmer für den Meisenheimer Hof untergebracht.
Was hat Sie vom Projekt Fürstenwärther Hof überzeugt?
Ich bin durch meine Professur in der glücklichen Lage, mir Projekte aussuchen zu können, und hier hat es einfach gepasst: von einer engagierten Bauherrenschaft, die einen – ich würde sogar sagen – emotionalen Bezug zum Ort hat, in dem das Projekt entwickelt wird, was heute immer seltener der Fall ist, hin zu einer Stadt, die vor vielen Herausforderungen steht und dadurch für mich auch unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten interessant ist. Hinzu kommt noch die gestalterische Herausforderung: Wie bereitet man ein historisches Bauwerk auf neue Nutzungen und aktuelle Vorgaben beispielsweise in Bezug auf Barrierefreiheit und Brandschutz vor? Wie plant und baut man ein zeitgemäßes Gebäude in solch einem historischen Kontext? Alles in allem eine spannende Aufgabe.
Was hat Meisenheim mit Blick auf die Stadtsanierung richtig gemacht?
Zunächst einmal die Sanierung der Gebäude zu fördern. Damit kann man zwar nicht gänzlich vermeiden, dass viele Menschen lieber in Neubaugebieten auf der grünen Wiese wohnen und viele Einkaufsmöglichkeiten sich in Gewerbegebieten konzentrieren, aber man schafft dadurch wichtige Impulse, damit die Menschen in der Stadt bleiben und ein gewisser Grad an Urbanität bleibt. Gleichzeitig ist es aber auch Bürgern wie Herrn Held zu verdanken, dass sie sich hier mit viel Herzblut engagieren, denn die schnelle Rendite ist hier sicherlich nicht zu machen. Aber es bleibt noch viel zu tun: Viele schöne Häuser stehen noch immer leer, viele Erdgeschosse sind ungenutzt. Das Potential ist da, aber es braucht noch mehr Engagement von allen Seiten. Und je länger die Häuser leer stehen, desto schwieriger wird ihre Sanierung.
Was empfehlen Sie strukturschwachen Regionen mit „sterbenden“ Innenstädten, Sanierungsstau und Leerständen, um dieser Entwicklung entgegenzutreten?
Kein neues Bauland auszuweisen, keine neuen Gewerbegebiete und Einkaufszentren zu bauen, soziale und technische Infrastrukturen aufzubauen: schnelles Internet und Co-Working-Räume zur Verfügung zu stellen, damit die Einwohner wenn möglich von hier arbeiten können; Anreize für die Ansiedelung von Ärzten und Pflegern schaffen; qualitative öffentliche Räume herzustellen; die eigenen Themen schärfen und nach außen sichtbar machen – wie in Meisenheim die Geschichte, der Wein und mittlerweile auch die Kulinarik …
Die Fragen stellte Simone Mager.
„HIER“ Ausstellung von Matthias Zinn
- Derzeit stellt der Berliner Künstler Matthias Zinn seine Werke im Fürstenthäler Hof aus. In der besonderen Atmosphäre des ehrwürdigen Adelshofs zeigt er ein breites Spektrum seiner Arbeit moderner Kunst.
- Besichtigungstermine der Ausstellung „HIER“, an denen auch der Künstler vor Ort sein wird, finden statt vom 20.08. bis 23.08.21, vom 24.09. bis 26.09.21 und vom 17.12. bis 20.12.21.
- In Zusammenarbeit von Dr. Juliane Thimet und dem Weingut Disibodenberg entstand zudem die exklusive EditionDosenfisch, über die sich die Künstler Raoul Kaufer, Matthias Zinn und Jonas Hödicke über einen von und mit ihnen ausgewählten Wein mit einer Arbeit vorstellen. Die Auflage ist auf 339 Exemplare limitiert und im Weinladen in Meisenheim erhältlich.
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