„Wir erwarten keine nachteilige Auswirkung auf die Beschäftigung“
BAD SOBERNHEIM. Öl-Embargo und Sanktionen gegen Russland – diese Themen bewegen auch regionale Unternehmen wie die in der Felkestadt ansässige Polymer-Gruppe. Im Gespräch mit nahe-dran.de schildert der geschäftsführende Gesellschafter Dr. Gerald Hauf, wie sich der Krieg in der Ukraine auf die Rohstoffversorgung des Unternehmens auswirkt, wie der Compoundierer gegensteuert und wie er perspektivisch mit dem Russlandgeschäft umgeht.
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Herr Dr. Hauf, die Polymer-Holding ist als Compoundierer, also Erzeuger von Kunststoff-Vorprodukten bzw. Granulaten für unterschiedliche Branchen, auf die Versorgung mit Rohstoffen auf Erdöl-Basis angewiesen. Hat die Polymer noch genug Rohstoff auf Lager?
Gerald Hauf: Die Rohstoffversorgung ist derzeit schwierig, alle Unternehmen der Polymer-Gruppe haben bisher alle benötigten Rohstoffe beschaffen können. Wir haben insgesamt unseren Bestand an Rohstoffen erhöht, d.h. wir haben einerseits größere Mengen an Rohstoffen vorrätig, gleichzeitig hat sich der Materialwert deutlich erhöht.
Der Verband der Chemischen Industrie prognostiziert, der Verzicht auf Import von russischem Öl werde „kein Spaziergang“ – auch nicht für die Polymer-Gruppe?
Gerald Hauf: Die Polymer-Gruppe erwartet nur einen geringen Einfluss eines Importstopps von russischem Öl oder auch russischem Gas auf die eigene Geschäftstätigkeit.
Spüren Sie bereits Auswirkungen knapper werdender Rohstoffversorgung?
Gerald Hauf: Wir spüren eine deutlich höhere Anspannung und müssen einen entsprechend höheren Aufwand betreiben, um die Rohstoffversorgung sicher zu stellen. Die Polymer-Gruppe hat bisher jedoch alle Kundenaufträge erfüllen können.
Wie haben sich die Preise seit Jahresbeginn entwickelt?
Gerald Hauf: Die Einkaufspreise für Rohstoffe sind bereits im letzten Jahr deutlich gestiegen; diese Preissteigerung hat sich im aktuellen Jahr fortgesetzt und nochmals beschleunigt. Seit 2020 sind die Preise der meisten unserer Rohstoffe zwischen 50 und 100 Prozent gestiegen.
Wie rüstet sich die Polymer-Holding für ein Öl-Embargo?
Gerald Hauf: Wir haben unsere Rohstoffvorräte erhöht und teilweise auch den Bestand an Fertigwaren.
Rechnen Sie mit Auswirkungen auf die Beschäftigung?
Gerald Hauf: Wir erwarten keine nachteilige Auswirkung auf die Beschäftigung in der Polymer-Gruppe. Aufgrund zahlreicher neuer Aktivitäten gehen wir auch in den kommenden Jahren von einer weiter wachsenden Anzahl an Mitarbeitern in der Polymer-Gruppe aus.
Verbände stehen einem Öl-Embargo teils gelassener gegenüber als einem Gas-Lieferstopp aus Russland. Wie bewerten Sie dieses Szenario?
Gerald Hauf: Alternativen für die Ölbeschaffung erscheinen leichter zu erschließen als Alternativen für die Gasbeschaffung. Abgesehen von zu erwartenden weiteren Preissteigerungen sieht die Polymer-Gruppe keinen nennenswerten Einfluss der Erdölthematik auf die eigene Geschäftstätigkeit. Gas setzt die Polymer-Gruppe in vergleichsweise geringen Mengen ein, in erster Linie zur Heizungszwecken. Hier erwarten wir Engpässe und erarbeiten derzeit technische Alternativen zum Gaseinsatz.
Die Polymer-Holding hat seit 2007 eine russische Tochtergesellschaft, die Polymer-Chemie Rus in Tula. Wie haben sich die europäischen Sanktionen bisher auf das Russland-Geschäft des Unternehmens ausgewirkt?
Gerald Hauf: In unserer russischen Tochtergesellschaft stellen wir PVC-Compounds für den Baubereich her. Die russische Tochtergesellschaft ist von den Sanktionen bisher nur wenig betroffen. Wir erwarten allerdings im zweiten Halbjahr bzw. spätestens im nächsten Jahr einen Rückgang der Bauaktivitäten in Russland und damit eine rückläufige Auftragsentwicklung.
Planen Sie einen Rückzug aus Russland oder ist dies bereits geschehen?
Gerald Hauf: Derzeit planen wir weder einen Ausbau der Aktivitäten noch einen Rückzug aus Russland. Grundlegende strategische Entscheidungen betreffend Russland werden wir frühestens 2023 treffen.
Politik und Gesellschaft wollen den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen beschleunigen. Ist das für einen Compoundierer ein realistisches Szenario?
Gerald Hauf: Wir halten dies für ein absolut realistisches Szenario. Der angestrebte Ausstieg aus fossilen Rohstoffen bezieht sich nicht nur auf deren Einsatz als Brennstoff, sondern auch als Rohstoff für die Chemieindustrie und somit auch die Kunststoffindustrie. Eine Reduktion des Einsatzes fossiler Rohstoffe bis hin zu einem vollständigen Ausstieg kann zum einen durch Kreislaufwirtschaft – d.h. Recycling von Kunststoffen – erfolgen und zum anderen durch die Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Beide Themen sind bereits heute wichtige Geschäftsfelder der Polymer-Gruppe und wir hoffen, diese in Zukunft weiter ausbauen zu können.
Im Juli eröffnen Sie eine erste Linie zur Produktion von biokompatiblen Kunststoffen auf dem ehemaligen Gelände des Flughafens Pferdsfeld, alsbald wird in Idar-Oberstein im großen Maßstab produziert. Ist das die Zukunft der Polymer Holding?
Gerald Hauf: Die Wachstumsmöglichkeiten der Polymer-Gruppe in Bad Sobernheim sind beschränkt. Das zukünftige Wachstum wird daher primär am neuen Standort Idar-Oberstein erfolgen, an dem die Polymer-Gruppe hervorragende Rahmenbedingungen vorgefunden hat.
Die generelle Zielsetzung der Polymer-Gruppe ist es, den Anteil der Geschäftstätigkeit, der auf nachwachsenden Rohstoffen basiert, bis zum Jahre 2030 auf 30 Prozent zu erhöhen. Zu diesem Ziel werden die biobasierten PLA-Copolymere aus Pferdsfeld genauso beitragen, wie viele andere Compoundtypen, die in der Polymer-Gruppe hergestellt werden.
Das Gespräch führte Simone Mager.
Die Polymer-Gruppe ist mit rund 500 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber der Nahe-Region.
Polymer-Chemie compoundiert, veredelt und modifiziert PVC, führt kundenspezifische Entwicklungen durch und reagiert mit neuen Produkten – wie zuletzt mit bio-basierten Kunststoffen – auf die aktuellen Anforderungen des Marktes.
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