Wegen Personalmangel geschlossen
MITTLERE NAHE. Handgeschriebene Hinweise an den Schaufensterscheiben: Die Metzgerei Bregenzer in Bad Sobernheim öffnet nur noch von Donnerstag bis Freitag. Auch die Metzgerei Geib in Staudernheim tut kund: Wegen Personalmangel geschlossen. Auf der Metzgertheke der Top-Markt Metzgerei im REWE Bad Sobernheim steht ein Schild: „Mitarbeiter gesucht!“ Der Fachkräftemangel reißt Versorgungslücken in der Region und ist längst im Alltag der Menschen angekommen.
Von Simone Mager.
Die Metzgerei Bregenzer in der Großstraße in Bad Sobernheim ist eine echte Institution. Jetzt verkürzt der Traditionsbetrieb in Zukunft seine Öffnungszeiten. Der Grund dafür? Es fehlt nach Auskunft von Chef Ralf Bregenzer ein zweiter Metzgermeister. Die anfallende Arbeit ist für einen allein nicht zu schaffen. Eine Fachkraft zur Unterstützung ist allerdings nicht in Sicht, die Erfahrung mit neuem Personal: Oftmals unbrauchbar. Deshalb muss der Betrieb seinen Verkauf am Wochenanfang schließen, um Zeit und Personal in die Produktion investieren zu können. „Wir haben in dieser Zeit nicht frei, sondern stehen in der Wurstküche“, bekräftigt Ralf Bregenzer.
Die Metzgerei Bregenzer ist bei Weitem nicht der einzige Betrieb in der Region, der unter zunehmenden Fachkräftemangel leidet. Betroffen sind auch die Metzgereien Geib in Staudernheim und die Top Markt Metzgerei. Die Folgen sind längst bei den Verbrauchern spürbar, auch in anderen Wirtschaftsbereichen: lange Wartezeiten auf Handwerkertermine und hohe Preise. Teilweise teilen Betriebe bereits per Bandansage mit, dass sie keine neuen Kunden mehr nehmen, weil sie zu sehr ausgelastet sind.

IHK zeichnet ein düsteres Bild
In Rheinland-Pfalz herrscht vor allem in der Pflege Fachkräftemangel. Die Pflegedienste in der Region arbeiten am Limit. Aber auch in den technischen Berufen sowie MINT-Berufen mangelt es an gut ausgebildeten Fachkräften. Die Baubranche klagt über fehlende Fachkräfte. Einen Grund für die zurückgehenden Zahlen sieht sie in der fehlenden Anerkennung ihrer Arbeit. Eine Studie der Sozialkassen des Baugewerbes (SOKA-BAU) zeigt, dass in zehn Jahren bundesweit jeder sechste Arbeitnehmer der Branche in Rente gehen wird.
Im Jahr 2019 hat die IHK Rheinland-Pfalz die Unternehmen im Bundesland mit Blick auf den Fachkräftemangel befragt. Das Bild, das sich dabei ergab, ist besorgniserregend. 60 Prozent der Betriebe äußerten im Rahmen der Umfrage, dass sie sich bereits stark oder sehr stark vom Fachkräftemangel betroffen sehen. Nur für jedes achte Unternehmen war dies zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht spürbar. Die IHK prognostiziert, dass sich die Situation im Laufe der kommenden Jahre deutlich verschärfen werde. Bis 2029 rechnet die Hälfte der befragten Unternehmen mit erheblichen Auswirkungen auf die eigene Zukunftsfähigkeit, weil Fachkräfte fehlen und auf dem Arbeitsmarkt keine qualifizierten Mitarbeiter verfügbar seien. 85 Prozent der Betriebe sehen sich in Zukunft stark vom Fachkräftemangel betroffen. Die IHK prognostiziert im Zehn-Jahreszeitraum den Anteil der Unternehmen, die sich wenig oder gar nicht von Fachkräftemangel beeinflusst sehen von heute 42 auf dann 15 Prozent.

Signifikante Probleme in den nächsten zehn Jahren
Besonders stark betroffen seien Betriebe aus den Bereichen Hotellerie und Gastronomie mit 65 Prozent. Die rasanteste Entwicklung in Bezug auf den Fachkräftemangel sieht die IHK jedoch im produzierenden Gewerbe. Rund 90 Prozent der Unternehmen rechnen der Umfrage zufolge in zehn Jahren mit signifikanten Problemen durch fehlende qualifizierte Mitarbeiter. In der Folge sind die vorhandenen Mitarbeiter stark belastet. Zwei Drittel der Unternehmen müssen die Arbeit bereits jetzt auf weniger Köpfe verteilen. Mehr als die Hälfte der Unternehmen gab an, Wachstumschancen vor diesem Hintergrund nicht nutzen zu können – eine fatale Entwicklung mit Blick auf die zunehmende Globalisierung. Insbesondere Unternehmen der Baubranche, aus Hotellerie und Gastronomie müssen im erheblichen Maße Aufträge ablehnen. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, investieren die Unternehmen in die Gestaltung ihres Außen-Auftritts und bedienen sich verschiedener Kanäle zur Personalrekrutierung, vorneweg die Empfehlung durch Mitarbeiter. Ein Nachteil für Arbeitgeber in ländlichen Regionen ist die Konkurrenz zu Firmen in Ballungsräumen, die besser erreichbar sind. Unternehmen auf dem Land stehen unter einem höheren Druck, attraktive Arbeitsbedingungen zu schaffen, weil Anfahrtswege länger sind.
Laut den Unternehmen fehlt es zudem an geeignetem Nachwuchs, denn oft bleiben Lehr- und Ausbildungsstellen in Unternehmen einfach unbesetzt.
Vor diesem Hintergrund haben sich bereits Betriebe im Rahmen des Ausbildungsmarketings zusammengeschlossen. (nahe-dran.de berichtete.). Die Anwerbung von Azubis leidet unter den Kontaktbeschränkungen, denn Ausbildungsmessen sind kaum durchführbar.
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