Die Phantom am Flughafen Pferdsfeld, im Hintergrund die Kirche in Pferdfeld. Foto: Hanns Kirchhof.
Kein Aprilscherz, stattdessen Ersthandwissen vom Flugplatz Pferdsfeld
BAD SOBERNHEIM. Viel Resonanz erhielt im vergangenen Jahr der Aprilscherz von nahe-dran.de: In einem Beitrag auf dem Portal hatte die Redaktion die Idee gesponnen, das leerstehende ehemalige Kasernengelände am Dörndich könne mit neuem Leben erfüllt werden. Aus verlässlichen Quellen wollten wir erfahren haben, dass der Dörndich in ein historisches Erlebniszentrum zum Kalten Krieg umgewandelt werden sollte. Nur, dass alle Informationen im Artikel zum Thema frei erfunden waren. In diesem Jahr, in dem der Kalte Krieg sich zu wiederholen scheint, ist uns nicht zum Aprilscherzen zumute. Dennoch wollen wir unseren Lesern nicht vorenthalten, wie der Aprilscherz aus dem vergangenen Jahr noch bis ins Frühjahr dieses Jahres hineingewirkt hat.
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Mitte Februar erhielt die nahe-dran.de Redaktion einen Anruf von Bernd Benker aus Leverkusen. Er hatte den Aprilscherz vom vergangenen Jahr gelesen, für bahre Münze gehalten und sprühte vor Begeisterung von der Idee, sich als ehemaliger Soldat und Ausbilder im historischen Erlebniszentrum einbringen zu können. Von der Darstellung im damaligen Artikel „Unter Mitwirkung der ehemaligen Geschwader-Angehörigen als Zeitzeugen soll das Soldatenleben in den Kasernen während des Kalten Krieges im Rahmen von Ausstellungen und digitalen Museumskonzepten in den Mittelpunkt rücken“, fühlte sich Benker sofort angesprochen und er griff gleich zum Telefonhörer, um sich bei Autorin Simone Mager über den Stand des „Projekts“ zu informieren.
Seine Enttäuschung war deutlich zu hören, als ihn die Autorin darüber aufklären musste, dass er auf den Aprilscherz aus dem vergangenen Jahr hereingefallen war. „Chapeau, ich war eine Zeit lang der ungekrönte König des Aprilscherzes auf meiner Arbeitsstelle, bin aber selbst nie auf einen hereingefallen. Meine damaligen Kollegen würden Ihnen stehende Ovationen spenden, wenn sie von dieser Geschichte erfahren würden. Letztendlich habe ich mich über meine eigene Euphorie amüsieren können, die mich regelrecht geblendet hatte. Der Gedanke, an alter Stelle jungen Leute zu unterrichten, war einfach zu schön“, schrieb er später an die Redaktion. Zugleich berichtete er voller Begeisterung von seiner Zeit auf dem ehemaligen NATO-Flughafen Pferdsfeld. Die Leser von nahe-dran.de lässt er an seinen Erinnerungen teilhaben. Wir geben seine Schilderungen hier wörtlich wieder:
Bernd Benker über seine Zeit auf dem NATO Flughafen Pferdsfeld
„Ich war als junger Leutnant zwei Jahre im Geschwader, ein Jahr als Zugführer eines Wachzuges am Flugplatz und ein weiteres Jahr als Leiter des Unteroffizierslehrganges im Dörndich. In beiden Funktionen gehörte zu meinen Aufgaben Unterricht über Befehl und Gehorsam, Innere Führung, Vorgesetzten-Verordnung und der Erlass erzieherischer Maßnahmen. Am Inhalt hat sich seit meiner Zeit nichts geändert, ich hätte das draufgehabt. Ich konnte mir auch vorstellen, dass die Bundeswehr statt hirnrissiger Werbung, wie sie derzeit in einigen Medien stattfindet, sich an diesem „Projekt“ beteiligt und stattdessen jungen Leuten die Gelegenheit gibt, einen kurzen Einblick in das Leben von Soldatinnen und Soldaten zu erhalten.
Aus dem Geschwader gingen (mindestens) drei Generäle hervor:
Eberhard Eimler
- Oberst, Kommodore des LeKG 42 in Pferdsfeld seit April 1971
- Generalleutnant, Inspekteur Luftwaffe
- General, Stellvertreter des Oberbefehlshabers der NATO-Streitkräfte
Peter Haarhaus
- Oberst, Kommodore des LeKG 42/JaBoG 35 seit August 1973, Nachfolger von Erhard Eimler
- Generalleutnant, stellvertr. Amtschef des Luftausbildungskommandos Köln
Gerd Bischof
- Leutnant, Staffeldienstoffizier und Stellvertreter des Staffelchefs 1974 bis 1976
- Brigadegeneral, Kommandeur des Luftwaffenausbildungskommandos in Köln-Wahn
Mein Vorgesetzter war Oberst Haarhaus. Er war ein Vorgesetzter, wie man ihn sich besser nicht vorstellen kann. Wenn er irgendeine Frage hatte oder ein Problem sah, wandte er sich an denjenigen, der unmittelbar betroffen war. Umwege über zwischengeschaltete andere Vorgesetzte hielt er für umständlich. So hatte ich selbst zwei Unterredungen mit ihm, die sehr spannend waren. Er konnte knallhart sein, wenn es notwendig war. Unter seiner Führung war das aber selten nötig. Er genoss im Geschwader ein sehr hohes Ansehen. Gerne erinnere ich mich an drei Anekdoten, die sich in Pfersfeld zugetragen haben.
Ein General darf mit seinem Jet nicht starten
Der Brigadegeneral Kallerhoff, Kommandeur der zuständigen Division, absolvierte Reisen zu den ihm untergeordneten Geschwadern mit einem Kampfjet, er war selbst Pilot.
Nach einem Besuch im Geschwader wollte er wieder zurück nach Bonn fliegen und bat den Tower um Erlaubnis, die Triebwerke zu starten und zur Startbahn zu rollen. Beides verweigerte der Tower allerdings mit dem Hinweis auf eine angemeldete Trauerfeier auf dem Friedhof Pferdsfeld. Der General kochte vor Wut und ließ sich mit Oberst Haarhaus verbinden. Dieser verwies ihn auf eine Vereinbarung zwischen der Gemeinde und dem Ministerium. Der Kontrollleiter würde für den Fall einer Freigabe eine empfindliche Disziplinarstrafe erwarten. Der General fuhr dann mit dem Auto nach Bonn.
Ein Kommodore wird vorläufig festgenommen und abgeführt.
Der betroffene Kommodore müsste der Vorgänger von Oberst Eimler gewesen sein. Er wollte sich auf eine Besprechung in Bonn vorbereiten: Umrüstung des Geschwaders auf F 4 F Phantom. Bei der Einfahrt an der Hauptwache wurde er offensichtlich erkannt. Dass er eine Kamera dabeihatte, störte niemand. Eine Ausnahme vom Fotografierverbot konnte er sich schließlich selbst erteilen. Im absoluten Sperrgebiet innerhalb des Flugbetriebsbereiches fiel er dann einer Streife auf, die ihn anhielt. Auf Nachfrage über seinen Aufenthalt an sich und die mitgeführte Kamera stellte er sich als der Kommodore und damit auch Vorgesetzter der Wachen und Streifen vor. Der Bitte sich auszuweisen, konnte er nicht nachkommen, er hatte seine Dokumente zu Hause vergessen. Die Soldaten führten ihn zur Hauptwache ab. Der diensthabende Offizier vom Wachdienst fiel aus allen Wolken. Den Anpfiff des Kommodores, man habe die Wachsoldaten offensichtlich nicht richtig eingewiesen, erwiderten die Soldaten mit der Aussage, das ihnen gezeigte Foto des Kommodere sähe ihm nicht ähnlich. Tatsächlich war das Foto ca. zehn Jahre alt, zeigte ihn mit mehr Haaren als aktuell, dafür mit einem Stern weniger auf der Schulter. Es stellte sich schließlich heraus, dass er trotz mehrfacher Bitte beim Geschwaderfotografen kein aktuelles Bild habe machen lassen. Da musste man sich halt mit dem alten Bild behelfen. Das nennt man unter alten Landsern einen Rohrkrepierer.
Eine französische Sondereinheit der Air France übt Sabotage und alle sind begeistert
Die Kunstflugstaffel der französischen Luftwaffe Patrouille de France musste in Pferdsfeld zwischenlanden, weil bei einem der Flugzeuge das Funkgerät Probleme machte. Mit Hilfe eines aus Frankreich eingeflogenen Ersatzteiles konnte das Problem gelöst werde, der Abflug sollte am nächsten Tag erfolgen. Der Kommandeur der Fliegerhorstgruppe, war ein Frankreichfan, sprach Französisch wie ein Muttersprachler und hat die Gastpiloten offensichtlich hervorragend betreut.
Zum Start nahm die Staffel Aufstellung wie die Hölzer beim Kegeln und bat um Startfreigabe für die Formation. «Negativ, jeweils paarweise.» Die Staffel: «Alle oder keiner». Der Tower rief Oberst Haarhaus an. «Lass sie, die machen das immer so». Nach dem Start folgte eine Kunstflugshow allererster Klasse. Für die nächsten 15 Minuten ging auf dem Flugplatz keiner seiner normalen Tätigkeit nach. Diese drei Ereignisse sind entweder eigene Beobachtung oder Ersthandwissen, keine Legenden oder sonstige Fantasiegeschichten.“
… und kein Aprilscherz (Anm. d. Red.) ????
Zum Aprilscherz vom vergangenen Jahr
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